Parasites


26.01.2021 | Kunst
Fritzi Schneckenhaus über Parasites im PIK, Deutz
Deutz-Mülheimer-Str. 127 3.12. – 30.1. Mit Claire Barrow, Zuzanna Czebatul, Miranda Keyes, Kinke Kooi, Magdalena Los, Sinkhole Project und Raphaela Vogel

Wenn wir morgens nicht aus den Betten kommen, ist das bestimmt nicht der Winter. Vor zwei Tagen erzählte mir eine Freundin, eine Freundin von ihr käme seit 3 Wochen nicht aus dem Bett! Und zwar nicht wegen dem Winter. Januar in Köln:

Eigentlich will ich nicht mehr über die Corona-Beschlüsse schreiben und in das Gejammere einsteigen, warum es denn die Kultureinrichtungen trifft, die sich... so streberhaft an allen Vorgaben orientieren und so tolle Hygiene-Konzepte entwickelt haben. Es ändert nichts. Zwei weitere Monate lang erzählten mir eilig zusammengerufene Pressekonferenzen, meine ohnehin nur noch mickrige Freizeitgestaltung sei Schuld am Pandemieverlauf. Das ist mehr als genug, um mich in ein nervös zuckendes Bündel Selbstzweifel zu verwandeln. Kein Museum der Welt könnte daran etwas ändern.

Anstatt brav im Bett liegen zu bleiben, starteten die ehemaligen Museumsbesucher*innen auf der Straße leider das Geraune. Was wird nächsten Dienstag wieder verboten? Lohnarbeit wird es nicht sein. Wohl eher der einsame abendliche Spaziergang, das beruhigende Rauschen des Rheins, die Zigarette am Fenster bei einer lauen nächtlichen Brise.

Trotz Müdigkeit kann ich im PIK die Gruppenausstellung „Parasites“ anschauen, die von Lisa Klosterkötter und Inga Charlotte Thiele kuratiert wurde. Die Ausstellung sollte als Begleitprogramm zur Art Cologne stattfinden und sich parasitär an die Messe hängen. Nicht nur daher der Titel. Glücklicherweise fiel die Messe der Seuche zum Opfer, leider damit auch die Ausstellung. Doch durch die Hintertür darf sie jetzt angeschaut werden. Also schleiche ich mich, nach konspirativem Mailverkehr mit der Kuratorin, durch die Baustellen der Deutz-Mülheimer-Straße. Der Wind peitscht mir ins Gesicht, neben mir reihen sich die Brachflächen und eilig hochgezogenen Bürogebäude. An einem Fenster stehen eine Museumsdirektorin und die Erbin des Kriegsverbrechers Max Brose und winken mir zu, während sie einer gefesselten Kulturjournalistin ihre Komplexe ins Ohr diktieren. Ich wende mich angeekelt ab und winke nicht zurück.

Endlich angekommen, muss ich Klinik-Schuhüberzüge anziehen. Der komplette Boden ist mit einem Teppich von Zuzanna Czebatul ausgelegt und ich denke als Erstes: Das war bestimmt teuer. Als Zweites:

Was ist das für eine Kuscheltier-Variante, die Claire Barrow über den Monstern von Czebatuls Teppich baumeln lässt? So friedlich, ich würde mich gerne dazwischen legen und mit meinen Pantoffeln ihre niedlichen Köpfe tätscheln. Claire Barrow macht eigentlich Mode. Mir ist es eigentlich egal, ich würde auch einen Claire Barrow Hoodie tragen, oder mir mit Claire Barrow Zahnpasta die Zähne putzen.

Von der Gemütlichkeit angesteckt, krieche ich durch die Ausstellung und werde mit den großen Fragen konfrontiert: Wer ist wessen Parasit? Wer möchte nicht auch sofort in die warmen, pulsierenden Darmverlängerungen in Kinke Koois Bildern einziehen? Tut es sehr weh, eine erwachsene Raphaela Vogel zu gebären? Ich weiß nicht mehr genau, sind es meine eigenen Gedanken, oder werden sie mir von der gastfreundlichen Kuratorin ins Ohr geflüstert, während sie mich sanft, aber bestimmt von Kunstwerk zu Kunstwerk schiebt. Wir laufen über Monster mit langen Rüsseln, Hörnern und Flügeln, die knüppelschwingend und bedrohlich zu uns hinaufschielen. Bevor ich es realisiere, bin ich schon wieder zum Ausgang geschleust worden. Mit letzter Kraft versuche ich mich noch an Barrows Kuscheltiere zu krallen. Geduldig löst die Kuratorin jeden meiner Finger einzeln und schiebt mich behutsam zurück in die Kälte hinaus, wo schon die nächste Besucherin auf den Einlass wartet.


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