O wie Burg
25.05.2021 | Kunst
Fritzi Schneckenhaus über Breadcrumbs: Art in the Age of NFTism bei Nagel Draxler; Luka Duwenhögger, Katharina Wulff bei Galerie Buchholz; Bahnhof für zwei bei PiK Deutz. Details unten
Die Ausstellung bei Nagel Draxler ist ein schlechter Witz, ich sage es, wie es ist. Sorry.
Wenn Galerist*innen auf den NFT-Diskurs aufspringen, als wäre da irgend etwas Neues zu untersuchen, als würden da irgendwelche neuen künstlerischen Ausdrucksmittel diskutiert werden, ist es das Entlarvendste der Welt. Das Einzige, was da ganz praktisch diskutiert wird, ist, wie man noch schneller an noch mehr Geld kommen kann. Oder in diesem Fall...: wie Andere noch schneller an noch mehr Geld gekommen sind. Get over it. Diskurse werden woanders geführt. Hier wird nur die nächste Sau durchs Dorf gejagt:
Die Räume von Nagel Draxler Köln sehen aus wie ein Messestand. Rote beschriftete Folie klebt an den Wänden, darüber Bilder, die wie Werbung aussehen. Oder vor diesem Hintergrund nicht anders können als Werbung zu werden. Es ist schon mühsam: Ein Künstler druckt langweilige Rasterbilder auf Alu-Dibond, auf denen Code abgebildet ist, und verkauft die für 150000 USD, ich hab nicht mal Lust mir hier schöne Formulierungen aus den Fingern zu saugen. Ja, mir ist es tatsächlich scheißegal, was für weitere Räume aufgemacht werden, wenn ich den ganzen Kontext dahinter kennen würde. Es könnte wenigstens formal dazu ermuntern, mich für den Hintergrund zu interessieren. Leider sieht es einfach nur scheiße aus.
In dem großspurigen Ankündigungstext schreibt Kenny Schachter, der den Müll hier zu verantworten hat, die Ausstellung möchte mit folgenden „falschen Annahmen“ aufräumen, „die in der heutigen Kunstindustrie weit verbreitet sind: dass es sich um eine Modeerscheinung und/oder nicht um Kunst handelt.“
Allein, zumindest eine der Annahmen ist gar nicht falsch: Ein NFT ist keine Kunst, sondern ein Behälter, in dem Kunst verkauft werden kann. Eine Distributionsmöglichkeit. Eine Erfindung, um das letzte Rotz-JPEG zu Geld zu machen.
Die Frage, ob es eine Modeerscheinung ist, könnte banaler nicht gestellt werden. Solange Menschen NFTs zu Geld machen können, wird es NFTs geben. Je mehr Geld sie damit machen, desto mehr wird es geben und über sie geredet werden. Eben nicht über die Kunst, die als NFT verkauft wird, denn die gab es schon davor. Als Dateien, die dann entweder glücklicherweise als Raubkopien im Internet zu sehen sind, oder gut gehütet bei Julia Stoschek oder sonstwem im Keller auf Festplatten liegen, auf die nächste kontextualisierende Gruppenausstellung wartend.
Leider zeigt hier mal wieder eine Galerie, wie lächerlich sie scheitert, wenn sie sich kritisch (in diesem Fall kritisch-affirmativ) mit “dem Markt” auseinandersetzen möchte. Fangt einfach bei euch selber an, mehr gibt’s hier nicht zu tun.
Um mich zu beruhigen, gehe ich zu épi auf der Breite Straße und kaufe mir eins von diesen versauten Käseküchlein und einen starken Kaffee. Es ist noch nicht lange her, dass ich dieses kleine Törtchen entdeckt habe, als ich mir nach einem Zahnarztbesuch den Listerinegeschmack aus dem Mund schälen musste. Ich drücke es mir in zwei Bissen in den Mund, stehe schon vor der Galerie Buchholz und bin etwas besserer Dinge.
In den Galerieräumen holen mich Lukas Duwenhögger und Katharina Wulff wieder runter. Ein paar kleinformatige, gerahmte Collagen von Duwenhögger und drei Malereien von Wulff hängen an der Wand. Unaufgeregt und schön. Lukas Duwenhöggers Collagen sind schon älter, von 1977- 1983, und zeigen einen Witz, den ich in seinen aufwendigen Malereien oft nur erahnen kann. Schöne, kleine Phantasiewesen huschen über kräftige Farben, ganz entspannt mit sich selbst.
Alles an der Präsentation ist maximal unaufgeregt, ein schöner Kontrast zu dem Geschrei bei Nagel Draxler. Auf den Gouache-Malereien von Wulff schaut mir eine Katze entgegen, eine Frau lutscht genüßlich an einem großen Zeh und ich bekomme auf eine gute Art und Weise wieder Lust, mich in meinem Bett zu verkriechen. Mit wenigen Gesten schafft die Künstlerin ihren subtilen Humor auszubreiten. Wenig zu sagen, alles gut.
Ich fahre weiter auf die andere Seite des Rheins und schaue im PiK Deutz vorbei, in dem Lisa Klosterkötter und Elena Malzew eine Film- und Performancereihe unter dem Namen “Bahnhof für zwei” kuratiert haben.
Es freut mich, dass gerade Projekträume wie das PiK es schaffen, gute Formate für die Bedingungen unter den Pandemiebeschränkungen zu finden. Die unterschiedlichen Beiträge der Ausstellungen werden an verschiedenen Wochenenden präsentiert. Man kann sie sich per Stream anschauen, oder aber auch vorbeigehen und vor Ort schauen.
Als ich dort ankomme, möchte ich eigentlich den Film “Bye, bye Baby” von Julia Boxler sehen, der dieses Wochenende gezeigt wird. Der Zeitpunkt scheint allerdings etwas unpassend, da die Kuratorinnen gerade den Soundcheck für das Künstlerinnengespräch machen. Also schaue ich mir die skulpturalen Kulissen für die kommenden und schon vergangenen Performances an und höre Lisas Tochter dabei zu, wie sie immer wieder “Hallo… Hallo…” ins Mikrofon sagt.
In einem runden, aus großen Holzstämmen gebauten Palisadenbau spiele ich ein Alphabetspiel mit ihr: N wie Pflanze, O wie Burg, A wie Katze, you name it. Besser hätte der Ausstellungsbesuch nicht laufen können und ich verabschiede mich.
Zuhause streame ich dann den Film von Julia Boxler, versinke in ihrem Roadmovie, in dem sie ihre alte Heimat und verschiedene Erinnerungsorte in Kasachstan besucht, das sie mit drei Freunden, zum ersten Mal nach ihrem Abschied in ihrer Kindheit, bereist. Immer wieder rennt die Filmemacherin von der Kamera weg, hinein in die Steppe und schlägt dazu einen schönen Bogen zu dem Thema der Ausstellung, das um dieses Motiv des Weglaufens, und all den Gründen dafür, kreist. Während draußen ein Gewitter aufzieht, sitze ich auf der Couch und schaue den vier Freunden in Kasachstan dabei zu, wie sie immer wieder, mit allen möglichen neuen Bekanntschaften, alten Freunden und wiedergesehenen Familienmitgliedern einen Schnaps nach dem anderen trinken. Hier sitzen und ihnen dabei zuschauen: Nichts beschreibt meine letzten sieben Monate besser.
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Breadcrumbs: Art in the Age of NFTism bei Galerie Nagel Draxler, Elisenstraße 4-6
12.05. - 21.08.2021
Luka Duwenhögger, Katharina Wulff bei Galerie Buchholz, Neven-DuMont-Str. 17
21. April - 29 Mai 2021
Вокзал для двоих. Bahnhof für zwei. Performance- und Filmreihe mit Julia Boxler, Sophie Calle and Greg Shephard, Florrie James, Isabel Lewis, Mira Mann, Café Miao und Miriam Stoney. Kuratiert von Lisa Klosterkötter und Elena Malzew
PiK Deutz, Deutz-Mülheimer Straße 127
1. Mai - 15. August 2021