JSC on View: Mythologists
Works from the Julia Stoschek Collection


09.04.2021Kunst
Julius Vapiano über die aktuelle Ausstellung in der Julia Stoschek Collection Düsseldorf, Schanzenstraße 54
17.  Januar – 19. Dezember 2021

kennt ihr das, wenn was bestimmtes in eurem kopf mit so einem visuellen thumbnail abgespeichert ist, und der ist eine totale verkürzung, aber ihr werdet es nicht los. so ist es bei mir mit der julia stoschek collection und allen ausstellungen die da stattfinden, ich habe immer dieses große schwarz weisse schriftlogo und die schwarzen flaggen im kopf, die ja mit der ausstellung nichts zu tun haben, und die eher an einen nachtclub für stormtrooper erinnern. vielleicht hätte ich weniger dieses bild im kopf während ich hier über die show schreibe, wenn ich... da gewesen wäre, durch die räume gestreift wäre an einem sonntag nachmittag, wie durch das aquarienhaus im zoo und mir die hellen großen bunten rechtecke im dunkeln angeschaut hätte, mir mehr zeit dafür genommen hätte als irgend jemand normalerweise hat.

ich habe mich dagegen entschieden nach düsseldorf zu fahren. wenn dieser artikel online geht ist die sieben tage inzidenz wohl irgendwo bei 200 und ich dachte, ich mache es vor und versuche mir die ausstellung von zuhause anzuschauen.

julia stoschek hat es zu ihrem langzeit ziel gemacht, ihre gesamte sammlung online verfügbar zu machen. von der aktuellen ausstellung ist schonmal das booklet online und ein video rundgang durch die räume. man kann die titel aus dem booklet rüberkopieren in das archiv, und bisschen mehr als die hälfte der arbeiten online schauen. drei weitere finde ich anderswo im internet, und natürlich ist es ganz anders, aber es hat sich trotzdem sehr gelohnt.

ich nehme auch einen sonntag nachmittag dafür her, und versuche mir mehr zeit zu nehmen als irgend jemand jemals hat, aber natürlich ist es ein anderes schauen, auf dem laptop und zwischendurch pflanzen giessen und wäsche zusammenlegen.

die show ist kuratiert von rachel vera steinberg, stipendiatin des julia stoschek collection curatorial & research residency programs (JSC CRRP) 2019-2020, die eine sammlungspräsentation unter dem thema mythen, mytholog*innen zusammengestellt hat. mit “mythologists” sind wohl die künstler*innen gemeint, die mit mythologien arbeiten, mit ihnen spielen, sie neu besetzen.

was ich aus meinem zimmer in köln sehen kann, funktioniert gut, es ist eine gute ausstellung, die arbeiten haben eine hohe qualität und einen gewissen allgemeingültigkeitscharakter, man könnte auch sagen die üblichen verdächtigen. am offensichtlichsten auf einen konkreten mythos bezieht sich eine arbeit, die für mich auch die eindrücklichste ist: pastoral drama von jamie crewe, ein zweikanal video mit zwei versionen von eurydike. in einer zeichnungen-und-plastiken-abfilmtechnik sind hier irgendwie “neue” bilder entstanden, die die unzuverlässigkeit und ambivalenz von erzählungen offenlegen. so viel schonmal, es geht um gender-normen und man könnte sagen, dass da die binarität von einer zweikanal installation vll ein bisschen ein holzweg ist, aber es ist sonst wirklich eine tolle arbeit.

in jeder box ist ein häkchen gesetzt bei dieser show: gendernormen, lgbtqi* rechte, antirassismus, feminismus, sogar eine prise kapitalismuskritik. diese ausgewogenheit von politischen statements erscheint etwas schrecklich ausgewogen. “mythologists” wird dadurch insgesamt unglaubwürdig in seinem politischen gebaren. das ist so ein weltweiter megatrend, dieses alles richtig machen wollen, aber eben nur auf der fassade.

es wird deutlich: der aspekt des widerständigen, des politischen, ist ein neuer code, den kunstwerke seit kurzem brauchen, um erfolgreich zu sein. julia stoschek hatte da einen sehr guten riecher beim aufbau ihrer sammlung und hat ein enormes kulturelles kapital angehäuft. 


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