Genoveva Filipovic – Seufzer


22.04.2021Kunst
Fritzi Schneckenhaus über die Ausstellung “Seufzer” von Genoveva Filipovic im Kölnischen Kunstverein, Hahnenstraße 6. 
27.03. - 23.05.2021
Illustration: Charlotte Hock 

Am späten Freitag Nachmittag bin ich in Freizeit-Stress geraten und ich weiß, es ist momentan nahezu unmöglich. Allein das Wort „Freizeit-Stress“ habe ich sicher seit einem Jahr nicht mehr benutzt, und davor eigentlich auch nicht, aber dann

fahre ich mit meinem Share-Now-Smart seit 20 Minuten großräumig um den Kölnischen Kunstverein und finde keinen Parkplatz. Ich weiß ganz genau, wie bescheuert es ist..., Freitags um 18 Uhr mit einem gemieteten Auto in der Innenstadt einen Parkplatz zu suchen. Warum konnte ich nicht einfach die VIER nehmen, frage ich mich, als mir der dritte Porsche 911 einen Parkplatz vor meinen Augen wegschnappt.
An der Grünstraße in Köln-Mülheim hätte ich in die VIER einsteigen können, die mich dann in zwanzig Minuten direkt zum Neumarkt chauffiert hätte, während ich jetzt beschissene fünfzehn Minuten von meinem Parkplatz am Barbarossaplatz zum Kölnischen Kunstverein – Die Brücke laufe.

Der Kölnische Kunstverein – Die Brücke stellt Genoveva Filipovic aus, eine kroatisch-deutsche Künstlerin, die normalerweise in  N e w Y o r k  lebt, momentan aber wegen der Pandemie in Köln gelandet ist und hier nun ihre erste institutionelle Einzelnausstellung in Deutschland hat. Die Ausstellung hat sie “Seufzer” genannt und ich finde, es ist ein wirklich schöner Titel.

Eine lange Wand trennt die beiden Fensterreihen des unteren Ausstellungsraums. Auf der von der Straße einsehbaren Seite reihen sich Bild an Bild, Kaktusbilder, Kaktusse auf Bildern. Ab und zu schwingt sich von oben eine schwarze Gummibahn, eine zwei Meter breite schwarze Gummizunge, herab auf den Boden. Die Ausstellung strahlt so eine extreme Coolness aus, ich weiß am Anfang fast gar nicht, wie ich mich in ihr bewegen soll. Um nicht aufzufallen, gehe ich ganz brav die Wand entlang und schaue mir Bild für Bild an, aber was soll ich sagen... kennst du eines, kennst du alle. Seltsamerweise scheint es in diesem Fall trotzdem nicht langweilig zu werden.
Hier zweifelt alles ein bisschen am eigenen Ausdruck. Eine Skulptur steht so locker im Raum, als würde sie am liebsten ignoriert werden. Ich tue ihr den Gefallen, in diesem Raum sollte sich wirklich jede*r wohlfühlen. Trotz der skizzenhaften Bilder und ihrer nervösen Wiederholung strahlen sie eine bestechende Klarheit und Leichtigkeit aus. Hier gibt es keine faulen Tricks. Alles, was zu erwarten ist, steht genau in der Ausstellungseinladung beschrieben:

„Ich habe Kaktusse hergestellt und in eine Reihe gestellt.
Nachdem diese Arbeit beendet war, habe ich den Gesichtsausdruck jedes einzelnen Kaktusses so geändert, dass er meiner Meinung nach ein Seufzen auslösen könnte.
Da mir das als zu schwierig vorkam, habe ich nun dies gemacht: Ich habe behauptet, dass ich den Gesichtsausdruck jedes einzelnen Kaktusses so ändere, dass er meiner Meinung nach ein Seufzen auslösen könnte. Habe aber stattdessen ein Lächeln eingebaut.
Dann versuche ich mir vorzustellen wie es wäre, wenn ich diese Szene 'nachspielen würde'.“1

Nachdem ich mit der VIER zurück nach Hause gefahren war, versuchte ich, eine positive Kritik zu schreiben, die ein Lächeln auslösen könnte.
Da es mir zu schwierig vorkam, habe ich nun dies gemacht: Ich behauptete, dass ich jedes Zweifeln und Innehalten so geändert hätte, dass es meiner Meinung nach ein Lächeln auslöst, habe aber stattdessen minutenlang nur geseufzt.

1  Ankündigungstext, Kölnischer Kunstverein





Zurück Home

︎ 2023 It Tastes Like Ashes
Julius Vapiano

Impressum | Datenschutz