Die beste Geschichte setzt sich durch


09.04.2021Kunst
Textcollage von
Esther Elena


"Mythologists" in Düsseldorf

Die beste Geschichte setzt sich durch

„Wenn Kunst nichts ändern könnte, wäre die Welt am Ende. Das meine ich so. Der Grad der Zivilisation misst sich ja auch gerade daran, was Kunst darf.“

Erklärung
Michael Stoschek über seinen Großvater

Max Brose: "Ich hätte genauso gehandelt"

„Oskar Schindler war Nationalsozialist, Parteimitglied, hat Zwangsarbeiter beschäftigt und war in der Rüstungsindustrie. Sie sehen an dem Beispiel, das sagt überhaupt nichts.... Oskar Schindler war ein Held. [...] Im Gegensatz zu Oskar Schindler gab es in Coburg kein Konzentrationslager in unmittelbarer Umgebung, sodass mein Großvater keine Juden retten konnte. Nur ist auch erwiesen, dass mein Großvater die Zwangsarbeiter gut behandelt hat, soweit es irgendwie möglich ist.“  

Als im Jahr 2004 der Coburger Stadtrat eine Straße nach Broses Firmengründer benennen sollte, kamen Zweifel bei Lokalpolitikern auf. Zu wenig geklärt und trotzdem schon zu belastend war die Rolle von Julia Stoscheks Urgroßvater Max Brose (1884-1968) im Nationalsozialismus. Die kriegsorientierte Wirtschaftspolitik der NSDAP brachte Brose Gewinne ein. Sonderfertigungen wie Benzinkanister für die Wehrmacht sowie Munitionsteile machten schnell den größten Teil des Umsatzes aus. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Zwangsarbeiter aus Frankreich und Kroatien, vor allem aber aus der Sowjetunion eingesetzt. Sie stellten 1944 fast ein Viertel der knapp 900köpfigen Belegschaft und waren in einem separaten »Russenlager« untergebracht. Max Brose trat 1933 in die NSDAP ein, trug als Präsident der IHK den Titel Wehrwirtschaftsführer und war Abwehrbeauftragter seines Unternehmens.
Stoschek spendete in Bamberg statt in Coburg
Die Entscheidung hatte auch weitreichende Folgen für die Stadt: Brose investierte plötzlich in Bamberg - und nicht nur in den dortigen Basketballverein. Und die sozialen Einrichtungen Coburgs bekamen keine Spenden mehr. Solange der Stadtrat sein Handeln nicht revidiere, müsse man Abstand von etwaigen Spenden nehmen, steht in den Anschreiben des Unternehmens.

„Der Mann war ein Vorbild. Der Mann hat sich ehrenhaft verhalten und es gibt nicht den geringsten Grund, ihm diese Ehre zu versagen.“

Angeblicher Beleg: Die Entnazifizierungsakte von Max Brose. Darin gibt es entlastende Aussagen, die das Gericht 1949 milde urteilen ließ. Brose sei nur ein Mitläufer gewesen. Die Strafe, 2000 Mark. Entnazifizierungsurteile müssen generell kritisch gesehen werden, betonen Historiker. Statt der Verfolgung von NS-Unrecht stand Ende der 40er Jahre die Einbindung der alten Eliten im Vordergrund.
Hier im Staatsarchiv Coburg liegen die Akten zum Fall Brose. Darin finden sich auch viele belastende Aussagen, etwa über die Misshandlungen von Zwangsarbeitern. In den Akten liegt auch dieser Aufruf, unterzeichnet von Max Brose. Er warnt seine Mitarbeiter bezüglich des Umgangs mit Kriegsgefangenen: „Humanitätserscheinungen sind keineswegs am Platze!“
Moralisch fragwürdig auch der Erwerb dieser Villa durch Max Brose. Sie hatte zuvor dem bekannten Juden Abraham Friedmann gehört. Er war von Nazi-Schergen gefoltert und aus dem Land gejagt worden. Max Brose nutzte die Gelegenheit, das Anwesen weit unter Wert bei einer Zwangsversteigerung zu kaufen. In den Augen des Enkels aber bleibt der Großvater untadelig.

Die Eigentümerfamilien haben die Geschichte des Familienunternehmens und die Haltung des Firmengründers Max Brose in der NS-Zeit durch den Historiker Prof. Gregor Schöllgen untersuchen lassen und die Ergebnisse im Jahr 2008 publiziert. Das Unternehmen leistete im Jahr 2000 einen finanziellen Beitrag zur Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, im selben Jahr gegründet, um im Auftrag der deutschen Wirtschaft und Regierung ehemalige NS-Zwangsarbeiter*innen zu entschädigen und internationale Projekte der Versöhnung zu fördern.
2021, Webseite Julia Stoschek Collection, https://www.jsc.art/about-us/

In der Fachwelt wird die Arbeit der Uni Erlangen zurückgewiesen. Unter Historikern gilt das Buch, das ohne eine einzige Fußnote auskommt, als unwissenschaftlich. Es ignoriere den Stand der NS-Forschung, sei einseitig.

„Die Geschichte meines Großvaters ist endgültig und abschließend erforscht. Da gibt es keinen, absolut keinen Bedarf mehr an weiterer Erforschung.“ 

Nach zehn Jahren will die Stadt offenbar nur noch eines: das Ende des Streits mit Stoschek. Ob das freilich so möglich sein wird, wie die Stadt sich das erhofft, ist mehr als fraglich. Denn inzwischen ist auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, auf den Fall Coburg aufmerksam geworden. Er hat der Stadt in einem Schreiben signalisiert, dass er eine Ehrung des NSDAP-Mitglieds und Wehrwirtschaftsführers Max Brose nicht gutheißen würde. Am Dienstag trafen sich Stoschek, Schuster und OB Tessmer zu einem Austausch über die Causa, am Mittwoch will die Stadt darüber informieren, ob man sich angenähert habe.

Entscheidung in Coburg: Stadtrat stimmt für Max-Brose-Straße

Nach Ende des Straßennamenstreits: Brose spendet wieder in Coburg

Die Goldene Ehrennadel der IHK zu Coburg ist erst sieben Mal vergeben worden. [...] Michael Stoschek bedankte sich für die Ehrung, die er auch als Anerkennung seines Großvaters Max Brose versteht.

Vorwürfe

Nach Kritik von Böhmermann: Streit um Max-Brose-Straße in Coburg neu entfacht
Zwei Coburger Stadträte wehren sich gegen die Vorwürfe von Jan Böhmermann. Streitpunkt der Debatte ist die Benennung der Max-Brose-Straße. Diese hatte Böhmermann zuvor in seiner Fernsehsendung kritisch hinterfragt.

Stoschek ist kürzlich mit einem Amphibienfahrzeug der Wehrmacht auf der Regnitz rumgeschippert. Wieder ohne Genehmigung. Er wurde angezeigt. Was Stoschek mehr als kleinkariert findet, auch daraus macht er keinen Hehl.
2015, Katja Auer und Olaf Przybilla, Süddeutsche Zeitung, https://www.sueddeutsche.de/bayern/brose-und-oberfranken-der-herrscher-1.2643509

#298 Michael Stoschek & family

2016 Billionaires NET WORTH

$4.8B

How Much Is Michael Stoschek and Family: Worth?
In 2021, Michael Stoschek and Family:'s net worth was estimated to be $3.8 Billion.

Net Worth:
$3.8 Billion
As one of the richest celebrities in the world, people are always wondering how much money Michael Stoschek and Family: has or makes. While it's impossible to calculate the exact amount Michael Stoschek and Family: is worth, we can use publicly available information such as salary, investments, businesses, endorsements, and other income to estimate a net worth for 2021.

„Ich bin aktive Gesellschafterin und stolz darauf, für ein so erfolgreiches Familienunternehmen in der vierten Generation tätig zu sein. Als Familienunternehmen zu agieren spielt eine enorme Rolle. Daher stehen Firmeninteressen immer ganz klar vor den Privatinteressen einzelner Familienmitglieder. Alle Gesellschafter haben sich einem Firmenkodex verschrieben, der auch so gelebt wird.“

„Für mich persönlich ist es einfach ein ganz großes Glück und ich bin auch wirklich wahnsinnig stolz, dass wir über hundert Jahre, in so einer bewegten Geschichte, heute, 2017, immer noch als ein international erfolgreiches Familienunternehmen, in Deutschland, agieren können. Und das ist für mich, einfach als Familienunternehmerin das absolute und ganz große Glück.“
2017, Deutsches Wirtschaftsforum, Julia Stoschek im Gespräch mit Moritz Müller-Wirth, https://www.youtube.com/watch?v=Ek2ouS5-vUU

Julia Stoschek betonte mehrfach in Interviews, dass Kunst für sie kein Spekulationsobjekt sei, was bei ihrem Vermögen allerdings auch nicht verwundert. Was ihre riesige Sammlung ihr aber einbringt, ist enormes symbolisches Kapital in Form von Prestige und Ansehen.
„Ich sehe mich als eine philanthropische Produzentin. Und ich hoffe, langfristige kulturelle Werte zu schaffen.“
2021, Julia Stoschek, Webseite Julia Stoschek Collection, https://www.jsc.art/about-us/

Gerade jungen Künstlern fehlt häufig das Geld, um öffentlich aufzutreten. Sie sind auf Förderer wie Julia Stoschek angewiesen.
2010, DW Deutsch, https://www.youtube.com/watch?v=fkSiEggDAnE

Nach Kunst-Gucken und Champagner-Empfang im Innenhof samt lauschigem Garten bat Julia Stoschek mit Partner Mathias Döpfner (Springer-Vorstandsboss) an ihrer Seite zum Dinner in die mit schwarz-weißen Luftballons geschmückten Privaträume über den Dächern der Stadt. Damit ging die Kunstnacht längst nicht zu Ende: Im Alten Stahlwerk an der Ronsdorfer Straße wurde zu später Stunde noch einmal richtig aufgedreht, Studenten der Kunstakademie kamen in Scharen dazu und sorgten für Stimmung.
„Es gab in allen Zeiten immer Menschen, die die Kunst gefördert haben. Das ist eine gewisse Art des Bürgertums und ich habe das eben so für mich entdeckt, dass das der Weg ist, den ich gerne einschlagen möchte.“
2010, Julia Stoschek in DW Deutsch, https://www.youtube.com/watch?v=fkSiEggDAnE

„Nein, der Besitz ist nicht das Entscheidende. [...] Die drei wichtigsten Arbeiten meiner Sammlung überhaupt habe ich dem MoMA in New York geschenkt. Sie sind kunsthistorisch derart relevant, dass ich es für sinnvoll erachte, dass sie einem größeren Publikum zugeführt werden, als es mir jemals möglich wäre.“

Stoschek sucht nach „Masterpieces“ – und da ist der Markt dann doch ganz schön zickig. Ihre Konkurrenz sind Museen, die ebenfalls nach den Klassikern des Mediengenres suchen.
2012, Christiane Meixner, Tagesspiegel Berlin, https://www.tagesspiegel.de/niemals-schlafen/6903608.html

„Die Kunst braucht natürlich ganz klar einen Markt. Ich bin eine große Verfechterin der freien Marktwirtschaft. Ich glaube, dass sich jede Nachfrage ihr Angebot schafft und jedes Angebot die Nachfrage. Und natürlich sprechen wir immer vom aufgeblähten Kunstmarkt und von den Rekordsummen auf Auktionen. Also, ich beobachte das eigentlich von Außen und hab jetzt eigentlich selber persönlich kein Problem mit.“
2017, Deutsches Wirtschaftsforum, Julia Stoschek im Gespräch mit Moritz Müller-Wirth, https://www.youtube.com/watch?v=Ek2ouS5-vUU

„Ich glaube, die freuen sich, wenn ich bei ihnen einkaufe. Das kann ich, glaub ich, schon sagen. Obwohl sie wissen, dass ich eine ziemlich unangenehme Verhandlungspartnerin sein kann, wenn es um den Institutionsrabatt geht, den ich natürlich von jeder Galerie erwarte. Den bekommen wir auch. Aber ansonsten, glaub ich, sind die Galerien ganz glücklich, wenn ich da einkaufe, ja.“
2017, Deutsches Wirtschaftsforum, Julia Stoschek im Gespräch mit Moritz Müller-Wirth, https://www.youtube.com/watch?v=Ek2ouS5-vUU

Ein kritischer Blick auf die Zusammenarbeit der Künstlerin und Theoretikerin Hito Steyerls mit der Mäzenin Julia Stoschek

Unkritisierte Verstrickungen

Die Medienkünstlerin Hito Steyerl gilt im internationalen Kunstbetrieb als besonders einflussreich, gerade wegen ihrer kritischen Positionen. Was an ihrer eigenen Teilfinanzierung durch die Kunstmäzenin Julia Stoschek problematisch ist, thematisiert sie nicht.

„Es geht in der Kunst nicht mehr darum, Bilder oder Abbilder zu erzeugen, sondern einen Ort der Reflexion zu schaffen. Ich finde die Entpolitisierung von Kunst aktuell ganz schlimm. Gerade jetzt ist es wichtig, die Stimme zu erheben. Das war immer die Aufgabe von Kunst: wie Seismographen gesellschaftliche Entwicklungen zu registrieren und darauf zu reagieren.“
2017, Julia Stoschek, im Gespräch mit Michael Kohler und Peter Pauls, Kölner Stadtanzeiger,
https://www.ksta.de/kultur/kunstsammlerin-julia-stoschek--gerade-jetzt-ist-es-wichtig--die-stimme-zu-erheben--26745680?cb=1615302129345

„In der Arbeit sieht man einen Benzinkanister der, wie ein Zeitzeuge, seine ganz individuelle Geschichte erzählt. Doch diese Geschichte berichtet gleichzeitig vom Schicksal aller Kanister. Denn der Benzinkanister wurde von deutschen Ingenieuren entwickelt und anschließend für die Kriegsmaschinerie in Masse produziert. Die Firma Max Brose wurde mit der Produktion betraut und holte sich dafür 200 Zwangsarbeiter, die neben dem Firmengelände von der Wehrmacht kaserniert lebten. Der Kanister wurde ab 1944 von den Briten nachgebaut, nachdem sie sich über die Amerikaner die Baupläne besorgt hatten. Auch das erzählt der Zeitzeuge mit englischem Akzent - und er ist stolz auf diesen Wandel und darauf, dass er letztlich helfen konnte die Nazis zu besiegen. Wie wichtig die Zeitzeugen sind, sieht man zum Beispiel daran, dass die Geschichte dieser sowjetischen Zwangsarbeiter und ihrer Familien völlig in Vergessenheit geraten konnte. Genau dafür gibt es die Erinnerungskultur. Sie ist immer politisch.“
2020, Leon Kahane im Gespräch mit Mirna Funk, Jüdische Allgemeine, https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/man-darf-sich-nicht-den-spass-nehmen-lassen/

„In unserem Gespräch ging es uns aber auch darum, wie sich diese Vergangenheit nicht nur ideologisch, sondern auch materiell ausdrückt, welche Kapitalverhältnisse sich bis ins Jetzt nachverfolgen lassen und wie sie auch Räume gestalten, in denen wir als Künstler*innen uns heute bewegen.“
2021, Moshtari Hilal, Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah im Gespräch mit Nina Monecke, Ze.tt, https://www.zeit.de/zett/politik/2021-03/ns-familiengeschichte-instagram-diskussion-nazihintergrund-moshtari-hilal-sinthujan-varatharajah

„Düsseldorferin des Jahres“: Auszeichnung für Julia Stoschek


„Die Kulturbranche ist einer der wenigen Räume unserer Gesellschaft, wo man* Inhalte relativ frei aushandeln kann. [...] [im] künstlerischen Kontext eröffnen sich Räume, in denen man* die eigenen Machtverhältnisse und den Umgang mit Gewaltgeschichten kritisch hinterfragen kann. Dabei ist die Intention nicht, die Personen aufgrund ihres geerbten Hintergrunds zu disqualifizieren, sondern mit diesen inneren Konflikten aktiv zu arbeiten, statt sie einfach zu ignorieren. Ich denke, wir können aus ihnen als Gesellschaft lernen, um eine gerechtere Gegenwart zu gestalten.“
2021, Moshtari Hilal, Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah im Gespräch mit Nina Monecke, Ze.tt, https://www.zeit.de/zett/politik/2021-03/ns-familiengeschichte-instagram-diskussion-nazihintergrund-moshtari-hilal-sinthujan-varatharajah



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